12.12.2009

Es gibt noch Leser

Kommentar zur "Pforte des Todes" auf der Krimi-Couch: (Krimi-Couch.de)

"Lieber Jochen, Danke für diese sehr informative Rezension. Ich bin wie Du der Meinung, dass man sich bei diesem außergewöhnlichen Roman wirklich "nicht vom Mystery-Teil täuschen lassen" soll, aber Deine Annahme, es gehe darin nur "um kleinliche und allzu menschliche Beweggründe wie Machtverlust, Neid, Bewahrung des Status Quo und schlichte, alltägliche Gewalttätigkeit", wird in meinen Augen der Geschichte nicht ganz gerecht.
Nachdem ich mehrere Kommentare und daraufhin das Buch zum zweiten Mal
gelesen habe, bestätigt sich mein Eindruck, es mit mehr als einem
„Thriller“ zu tun zu haben.
Dieses Mehr findet man zwar nicht sofort in dem zugegebenermaßen sorgfältig
recherchierten und sehr spannend aufgearbeiteten Stoff. und seinem
kunstvoll komponierten Handlungsverlauf. Aber es offenbart sich ganz eindeutig in den Figuren selbst, die - so oder so - im Spannungsverhältnis des Sinns oder Unsinns der
Religionen stehen. Deshalb sehe ich das Mystery-Element des Romans als
geglückten Versuch den Leser mit der Gefahr des Sektenunwesens und der spannenden Frage nach der Verführbarkeit durch Glauben zu konfrontieren. Dabei bleibt es dem Leser trotzdem selbst überlassen, ob er diesen Roman als reinen Thriller genießt, oder dieses zum Nachdenken anregende "Mehr" als Auseinandersetzung mit Glaubensfragen aufnimmt.
Insoweit, glaube ich, ist es dem Autor mit diesem Roman gelungen, etwas Neues in die Welt des Krimis zu setzen.
Liebe Grüße,
Piatee"

08.12.2009

Noch ´ne Premiere




















zu beziehen über:
www.utafahrenkamp@t-online.de



Lesung zu Ehren Ulrich Reinekings am 5. 12. 2009 in Rinteln

So, auch sie ist nun Geschichte, die von der Schaumburger Zeitung und buch + wein organsierte Lesung im Gemeindesaal der reformierten evangelischen Kirche in Rinteln. Trotz grottenschlechtem Wetter und konkurrierenden Veranstaltungen wie Weihnachtsmarkt, Feuerwehrfest und Sportschau kam dann doch eine erkleckliche Zahl von Besuchern, um dem Autor (und mit ihm dem verstorbenen Namensgeber des „Pforte“-Kommissars Ulrich Reineking) Ehre zu erweisen. Pfarrer Heiko Buitkamp, mit einer Bierflasche in der Hand Nähe zu Uli Reineking demonstrierend, eröffnete die Lesung mit einfühlenden Worten über den Verstorbenen und der Vorstellung des Autors, der sich sich bang fragte, ob denn sein Roman, mit dem er einerseits den harten Polizeialltag in der Provinz und andererseits das Problem „Verführung durch Glauben“ thematisiert, im Kreis der offensichtlich nicht kirchenfernen Gäste Unverständnis oder gar Protest hervorrufen würde. Klar war, es bedurfte ( und bedarf ) einer Einführung. Hier ist sie:

Dass dieser Roman geschrieben wurde, hat drei Gründe. Der erste ist eine nie vergessene schaurige-schöne Geschichte, die meine Mutter mir vor etwa fünfzig Jahren erzählte. Sie handelt von einem ostpreußischen Schäfer, der angeblich durch rituelle Opferung jungfräulicher Mädchen mit jenseitigen Mächten in Verbindung treten konnte.

Der zweite Grund ist ein verstörendes Erlebnis, in das ich durch eine von einer scyntologieähnlichen Sekte fast zugrunde gerichteten Osnabrücker Industriellenfamilie geraten bin. In seiner Not wandte sich eines ihrer Mitglieder mit der Bitte an mich, über die menschenverachtenden Praktiken der Sekte zu berichten, um so Öffentlichkeit herzustellen und über sie die Behörden aufmerksam zu machen.

Gewohnt, den Dingen auf den Grund zu gehen und mit der Absicht, verwertbare Beweise zu sammeln, schleuste ich mich mit Elektronik verdrahtet in die als Seminar- und Coachingunternehmen getarnte Sekte.

Was ich erlebte, war mehr als verstörend. Obwohl ich ein sehr nüchterner, hinterfragender Mensch bin, obwohl ich äußerst kritisch, ja, mit geradezu feindseliger Haltung in die Seminare ging, stellte ich schon nach dem ersten Tag mit Erschrecken fest, anfällig für die Logik der dort verbreiteten Lehre zu sein.

Ich war mit einem bis ins feinste austarierten Weltbild und einem logisch abgestimmten Glaubensgebäude konfrontiert, denen sich mein Gehirn nur schwer widersetzen konnte. Mein Ego wurde damit gestreichelt, einem kleinen elitären Kreis angehören zu können, der über einen Wissenschatz verfügt, mit dem sich alle meine Probleme lösen ließen. Nur darauf eingehen, lernen müsste ich, den Pfad der Erkenntnis betreten, um am Ende persönliche Souveränität, Macht und das Heil zu erringen.
Gegen gutes Geld, versteht sich.

Was mich rettete, war das tief im Hinterkopf verankerte Wissen, nicht nur einer religiös ummantelten Ideologie ausgesetzt zu sein, sondern auch einem geschickt inszenierten psychologischen Verführungsspiel, das wegen seiner Geschlossenheit keinen Widerspruch zulässt.
Einmal gefangen, ist es dem „Gläubigen“ nahezu unmöglich, sich der „Gemeinde“ und damit der Verführung zu entziehen. Erst wenn man das System als Ganzes in Frage stellt, kann man ihm begegnen und – entkommen. Und das in der Regel nur mit Hilfe von außen.

Die Folge meiner Aktivität gegen die Sekte: Mein Haus brannte eines Tages lichterloh. Auch der Kriminalpolizei war klar, wessen Handschrift da sichtbar wurde, alleine, die Beweise ließen sich nicht ermitteln.

Der Reflex auf dieses Erleben ist dieser Roman, der – nebenbei bemerkt, auch ein Freischreiben war – und der, wenn man ihn nicht nur vor diesem Hintergrund, sondern mit einem Blick auf fanatisierte Glaubenskrieger und Selbstmordattentäter liest, durchaus als Warnung, aber auch als bitterböse Realsatire im Thrillergewand verstanden werden kann - vielleicht sogar werden muss. Er ist ein Versuch, die Verführung durch Glauben zu thematisieren.

Uli Reineking, dem ich um 2001 von diesem Roman erzählte und der – journalistisch, psychologisch und theologisch auf absoluter Höhe – nicht nur die Schwierigkeiten, sondern auch die Brisanz und Notwendigkeit des Themas sofort erkannte, machte mir immer wieder Mut, das Projekt, in das ich damals bereits mehrere Jahre investiert hatte, zu realisieren.

Und das trotz des Wagnisses, Glaubensfragen, Okkultes, Esoterisches in einen Spannungsroman einzubringen. Ein solcher Stoff sei besonders geeignet, die Problematik zu popularieseren, meinte er. Mehr noch, Uli Reineking gestattete mir, seinen guten Namen für den Helden des Buches zu verwenden. Einen Helden übrigens, der wenig heldenhaftes an sich hat.

Uli Reinekings Unterstützung und sein nicht selten ironischer Zuspruch sind der dritte Grund, der mich durchhalten und das Buch, begleitet vom Studium unzähliger religionsgeschichtlicher, archäologischer und sektenaffiner Werke - und einer Menge Probleme - vollenden ließ.

Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, das Ergebnis in Empfang zu nehmen und – sicher sehr kritisch – auf seinen Gehalt zu prüfen. Aber vielleicht – hoffe ich - hilft es mit, sein Angedenken zu bewahren.

Eine Geschichte habe ein Anfang und ein Ende, sagte Godard. Aber der Anfang muss nicht notwendigerweise am Anfang und das Ende nicht unbedingt am Ende stehen. Bei einer Lesung ist es ähnlich. Gestatten Sie mir also, Szenen zu lesen, die ich eher zufällig ausgewählt habe. Ich beginne allerdings mit dem Anfang, der wirklich am Anfang zu finden ist, mit dem Motto des Romans:

„Da aber von den Dingen,
die Ihr erfahren werdet,
das eine wahr, das andere falsch,
aber wahrscheinlich sein wird,
so müsst Ihr sie durch Euer Urteil abwägen
und Euch die merken,
welche der Wahrheit am ähnlichsten sehen.“
Niccolò Machiavelli
„Instruction für Girolami“

Fazit.
Nein, es gab keinen Protest, um die oben gestellte Frage zu beantworten. Die um eine Stunde überzogene Veranstaltung wurde christlich beklatscht und mündete in einer munteren Diskussion, die zeigte, das mein Thema Thema ist. Das zeigte sich auch im Fast-Ausverkauf des Romans und meiner Schreibhand, die sich gezwungen sah, innerhalb kürzster Zeit um die zwanzig Exemplare zu signieren.