Pflege als Renditemaschine
Warum unsere Alten zur Ware geworden sind
Willi Voss
Pflege kostet? Ja – aber nicht für alle. Denn während pflegebedürftige Senioren und ihre Angehörigen mit monatlichen Heimkosten von über 3.000 Euro kämpfen, verdienen andere prächtig daran. Die Pflege in Deutschland ist vielerorts kein soziales Hilfsangebot mehr, sondern ein lukratives Geschäftsmodell. Und die Politik? Sie reagiert mit Wegsehen – oder mit Zuschüssen, die letztlich das bestehende System stabilisieren, statt es zu reformieren.
Die bittere Realität hinter der Pflegefassade
Was nach Fürsorge klingt, ist in vielen Fällen ein Konstrukt aus betriebswirtschaftlichen Kalkülen. Die Eigenanteile für einen Heimplatz betragen im Bundesdurchschnitt mittlerweile über 3.100 Euro – Tendenz steigend. Aufgeschlüsselt werden diese Kosten in Pflegeleistungen (abzüglich der Pflegeversicherung), Unterkunft, Verpflegung, Investitionskosten sowie Umlagen für Ausbildung und Struktur. Wer dabei einen höheren Pflegestandard erwartet, wird enttäuscht: Pflegekräfte sind überlastet, Zeit für individuelle Betreuung fehlt. Und das trotz der hohen Summen, die monatlich fließen.
Der Markt der Alten – renditestark und entmenschlicht
Immer mehr Pflegeeinrichtungen befinden sich in der Hand von privaten Investoren und internationalen Konzernen. „Private Equity“ – zu Deutsch: Beteiligungskapital – ist das Geschäftsmodell der Stunde. Heime werden aufgekauft, häufig kreditfinanziert, Personalstellen eingespart, Renditen maximiert. Die Refinanzierung läuft dabei nicht über Leistungen – sondern über die Bewohner. Über sie werden Zinsen, Gewinne und Strukturkosten abgerechnet.
Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:
· In öffentlichen Pflegeeinrichtungen liegt die Personalquote bei rund 70 Prozent.
· Bei privaten Betreibern oft nur noch bei 50 bis 55 Prozent.
Wer profitiert?
· Internationale Pflegekonzerne
· Immobilienfonds
· Kreditinstitute
Wer zahlt?
· Pflegebedürftige und deren Familien
· Kommunale Sozialhilfeträger
· Beitragszahler der Pflegekassen
Pflegepolitik im Rückwärtsgang
Statt mutig umzugestalten, verabreicht die Politik Beruhigungspillen: Beiträge steigen, Länder ziehen sich aus der Verantwortung für Investitionskosten zurück. Die Pflegeversicherung zahlt pauschal – unabhängig vom tatsächlichen Bedarf. Die eigentlichen Gewinner: Die Betreiber. Ihre Bilanzen bleiben weitgehend unter Verschluss. Ihr Geschäftsmodell: Ein staatlich subventionierter Markt mit garantierten Einnahmen und kaum Regulierung.
Was getan werden muss – jetzt
1. Begrenzung von Renditen im Pflegesektor – Pflege darf kein Hochrisikofonds sein.
2. Verbot oder klare Kontrolle von Fremdkapitalfinanzierung über Bewohnerkosten.
3. Staatliche Übernahme der Investitionskosten – wie bei Schulen oder Kliniken.
4. Transparente Offenlegung von Betreiberstrukturen und Gewinnverwendung.
Ein Appell an Würde und Verantwortung
Wenn wir als Gesellschaft unsere älteren Mitmenschen nicht nur als Kostenfaktor oder Zielgruppe für Investoren betrachten wollen, dann muss sich das System radikal ändern. Pflege ist keine Ware. Sie ist eine Haltung. Eine Frage der Menschlichkeit – nicht der Rendite.
„Zuschüsse lindern Symptome – aber sie heilen kein krankes System.“
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