20.11.2009

Gefühlte Feinde



















Gefühlte Feinde

War bei Dussmann. Dussmann steht für „Kulturkaufhaus“ und zwischen Unter den Linden und Bahnhof Friedrichstraße. Kulturkaufhaus nennt es sich, weil es neben Musikalien, Kalendern, CD´s und Software etagenweise Bücher feil hält. Ein Tempel, sagen die einen, beeindruckt von der der schieren Größe, ein Schlachtschiff mit ungeheurer Vernichtungskraft so mancher Autor, der sich vergebens bemüht, unter den Bücherbergen ihre Werke zu finden.

Logisch, dass auch ich nach meinem „letzten“ gesucht habe. Logisch, dass ich es nicht fand. Im Bauch dieses Grummeln, das der Wut vorausgeht, im Herzen ( gefühlt ) einen nicht zu unterdrückenden Neid gegenüber jenen Schriftstellern, deren Werke auf ächzenden Tischen in Riesenstapeln angeboten und massenhaft verkauft werden. Weil ihre Verlage groß sind, Marktmacht und deshalb Einfluss besitzen. Im Gegensatz zu meinem, der die wirklich guten Bücher bringt ( meines ), aber die schmale Nische beackert, weil die lohnenden Felder von den Großen besetzt sind. Geld heiratet eben Geld, stellt man ernüchtert fest, und ein Fluch entweicht dem Unterbewusstsein: verdammte Turbokapitalisten! Plakatieren Kultur und killen sie, in dem sie deren wahre Stätten in Schutt und Asche legen! Im ganzen Viertel keine einzige vernünftige Buchhandlung mehr. Shame on You, bloody Diamond

Ob denn der Roman „Die Straße ins Nichts“ vorhanden sei, möchte man fragen. Hilflose Blicke hin zu den Kassen, die wie mondäne Sushibars rund in den Raum gestellt sind und in denen gestylte Wesen gewaltige Umsätze generieren. Hilfloser Blick der Gestressten, die nichts weiter als den Bestseller bezahlt haben will. Irgendwo, sagt sie, muss es einen Kollegen geben, der Ihnen weiterhelfen kann. Irgendwo, ja. Bei diesem Herrn da, der nachfragt, ob es Dan Brown neuesten auch als Prachtband mit Goldschnitt gibt. Wegen weil ja bald Weihnachten ist und es was Außergewöhnliches sein soll, was mit Wert, Sie verstehen? „Die Straße ins Nichts?“, fragte die lächelnde Dame, nachdem sie zwei weitere Kunden abgefertigt hat. Sie schaut in ihren Computer, findet den Eintrag, lächelt – na ja – beinahe mitleidig ob des perversen Wunsches. „Ja“, sagte sie, sondernbar abschätzend, „haben wir, ja, aber müssen wir bestellen.“ Bei Libri natürlich. Eine der Buchgroßmächte, mit denen der Laden verbandelt ist und die alles listen, was zwischen Buchdeckeln existiert. Also auch die Produkte meines Nischenbeschickers. „Dauert aber fünf Tage“, erläutert sie. „Ihr Name?“
Ich bin versucht, ihr den meines Nachbarn zu nennen, dessen Hund dauernd auf die Matte im Eingang kackt, unterlasse es aber, weil der sofort zum Verfassungsschutz rennt, da er sich als bekennender Islamophobist selbst im Traum umzingelt sieht. Eingedenk des letzten, noch nicht im Vertrauen auf Nachfolgegeschäfte verschenkten Belegexemplars in meinem Bücherregal trete ich den Rückzug an. Meine bissige Bemerkung, unter diesen Umständen zöge ich es vor, selbst über das Netz zu bestellen, quittiert die Dame mit einem Blick an mir vorbei auf den nächsten Kunden, der – einen Schätzing in der Hand – fragt, ob es den auch mit eingebautem Perlencollier und einer Weißgoldschließe gibt ...

Ich gehe. Wie der Pudel, den man begossen hat. Im Kopf das Feuer einer neuen Buchidee, einer Revolution. Das erste Kapitel beginnt mit: Ein Geist weht durch die Welt, der Geist einer Kultur, die … Ach, Scheiße, Scheiße, Scheiße, bellt es in mir, während meine Beine mich zum Ausgang bugsieren.

14.11.2009

(ur) zum Gedenken: Kommissar Reineking















Bierselig waren sie manchmal schon, die Nächte, in denen ich mit dem Namensgeber des Helden meines Thrillers "Pforte des Todes" über Gott und die Welt und auch über das Thema des Romans diskutiert habe. Theologisch vorbelastet, hatte Ulrich Reineking eine Menge Stoff über den Versuch über "Verführung durch Glauben" zu bieten. Aber er machte auch Mut, das schwer zu recherchierende Thema anzugehen, den Mut nicht zu verlieren, die Disziplin aufzubringen, den der notwendigerweise auf viele Seiten angelegte Roman mir abverlangte. Was die Schaumburger Zeitung über das Thema schreibt, ist unter dem Link zu lesen:
zum Artikel

09.11.2009

Lesung aus "Pforte des Todes"









Jakobikirche in Rinteln


Am 5. Dezember 2009 um 17 Uhr lese ich im Gemeindesaal der evangelischen reformierten Kirche in Rinteln zum Gedenken an den am 4. Oktober leider verstorbenen Namensgeber des Romans - Ulrich Reineking - aus meinem Thriller "Pforte des Todes". Der Erlös kommt "Ultimo Frühstück" zugute, einer Einrichtung der reformierten Kirche, mit der am letzten Mittwoch im Monat Frühstück für Bedürftige bereit gestellt wird. ( hat Uli Reineking ebenfalls unterstützt )

Samstag, en 5. 12. 2009
17 Uhr
Gemeindesaal ev. reformierte Kirche
Klosterstraße 17
31751 Rinteln

04.11.2009

PFORTE DES TODES als e-book

Mein Thriller "Pforte des Todes" ist jetzt auch als e-book-Ausgabe als Download für 10,90 € bei beam e-books erhältlich. Eine Demoversion zum Anlesen kann als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Schaut mal rein: http://www.beam-ebooks.de/ebooks/krimi/

31.10.2009

Lieber Leser ...












... du unbekanntes Wesen



Einige Leser, das ist belegt, hat mein neuer Thriller „Pforte des Todes“ bereits gefunden. Es gab zwei Mails, einen Anruf und einen nach Veilchen duftenden Brief. Sie alle äußerst positiv, aber leider lediglich in der Beurteilung: Toller Roman, Gratulation und - Ende. Frustrierend, weil das bibbernde Herz des sich dem Gericht Stellenden nach BEGRÜNDUNGEN der Urteile schreit. Warum, zum Teufel, sagt ihr, es sei toll, wenn ihr nicht sagen wollt warum?

Nach all den Jahren ohne Streicheleinheiten lechze ich nach Zertifizierung: Wie ist der Stil, (habe ich überhaupt einen?), wie der Aufbau der Handlung, wie die Zeichnung der Handelnden, wie Nerven strapazierend die Spannung?

Was gibt es sonst, dass diesen Roman so aufregend macht? Ist er das? Und wenn, warum? Wegen des bescheidenen Verkaufspreises, der Aufmachung, der langen Wartezeit bis zum endlichen Erscheinen, den vielen Ankündigungen, die dann doch nicht gehalten wurden? Weil er zu suchen und nicht als gigantische Pyramide am Eingang der Buchhandlungen zu finden ist? Weil er noch nicht auf der Spiegel-Bestsellerliste und dort seit drei Jahren auf Platz eins steht? Die Talkshows sich nicht mit dem Angebot dicker Honorare um den Autoren reißen und der Verlag noch nicht wegen platzender Geldschränke Bertelsmann und die sonstigen vier Buchgiganten übernommen hat, der Verleger nur im Morgengrauen am Spieltisch in Las Vegas zu erreichen ist? Oder – der Schlag möge den Abweichler treffen! - weil sich, wenn er geschreddert wird, daraus hochwirksame nach Buchbinderleim schmeckende Schlaftabletten drehen ließen?

Ich bin im Stress, ich bin krank, dem Wahnsinn nahe! Auch wenn es für mich schrecklich, ja, das Ende am Plastikstrick sein wird: Lieber Leser, du unbekanntes Wesen, erbarme dich! Von mir aus auch anonym.

P. S.
Auch Proteste von Kirchenvertretern, die sich auf den Schlips getreten fühlen, werden akzeptiert. Aber nur, wenn sie das Buch ordnungsgemäß gekauft und nicht ausgeliehen haben.

24.10.2009

Spiegel-eien - juristisch-literarisch

Painting made &(c)by willi voss















SPIEGEL 43/2009 S. 110

Keine Rezension gegen das Urteil möglich?

"... In den vergangenen Jahren hatten Gerichte in ähnlichen Fällen - etwa bei Maxim Billers umstrittenenen Roman "Esra" - im Zweifel zu Lasten der Kunstfreiheit entschieden. Blumenbar-Verleger Wolfgang Farkas misst dem Urteil, gegen das keine Rezension zugelassen wurde, deshalb grundsätzliche Bedeutung bei: Es sei "psychologisch wichtig, dass ein Autor einen realen Stoff fiktiv behandeln kann""

23.10.2009

"Satchmos" Trompete

Sehr nett, was das Westfalenblatt über meine Geschichte in der Anthologie "MORDWESTFALEN 2" (Pendragon Verlag, Bielefeld) gebracht hat:






Der Hermann reckt sein Schwert gen Himmel. Doch »Mord-Westfalen II«, hier ins Bild gehalten von WB-Mitarbeiterin Vera Henrichsmeyer, hat noch andere kriminelle Schauplätze zu bieten als Detmold. Eine der Geschichten spielt in Tatenhausen. Foto: Klaudia Genuit-Thiessen



TATENHAUSEN IST TATORT

Halle (kg). Was die Trompete von Jazz-Legende Louis Armstrong, genannt Satchmo, mit dem Haller Wasserschloss Tatenhausen zu tun hat, muss der Leser selbst ermitteln.

»Satchmos Trompete« lautet jedenfalls der Titel einer der kriminellen Geschichten aus Westfalen im neuen Buch »Mord-Westfalen II«.

Der renommierte Krimiautor Willi Voss, der auch schon für Fernseh-Krimis wie »Die Zwei«, »Der Fahnder« und »Großstadtrevier« geschrieben hat, schickt seinen Hauptkommissar auf Spurensuche zum Schloss an der Versmolder Straße und in ein Haller Café mit dem Namen »Willem«. Auch in dieser Geschichte lässt Willi Voss eine gebrochene Figur mitspielen, die er immer wieder in seinen Krimis aufgreift, den Hamburger Kriminalobermeister Holger Fleestedt.

»Mord-Westfalen II« ist im Pendragon-Verlag als Taschenbuch erschienen. Weitere spannende Geschichten aus dem Sammelband spielen in Jöllenbeck und Bielefeld, Bad Salzuflen und Brackwede. Genug kriminelle Energie ist an diesen Tatorten bestimmt vorhanden.

Kalender 16.10.2009
(c) Westfalenblatt

20.10.2009

Landung auf dem okkulten Mond - Messe II









HinterMars-Amazone



Nun, auch der Besuch in Frankfurt war eine Art Comeback: Überwältigung angesichts der schieren Masse an Beton und Inhalt, der Menschen und besonders der Verkürzung bei der Verlagswerbung: Brown und Schätzing, am Rande die Sekundär-Bestseller. Die kleinen Verlage geradezu rührend in ihrem gediegenen Bemühen, auch ein bisschen Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wie immer, empfand ich das Ganze als Schaulauf der Eitelkeiten. Wichtig, wichtig, die Leut, die da vermeinen, Kultur zu präsentierten. Teils hochnäsig, teils routiniert. Die Stände der Großen wahre Tempel der Bedeutung. Das Buch ist denen wirklich nur noch Ware, mithin ist man als Autor gezwungen umzudenken und gehalten, eben diese Ware zu produzieren. (Oder?)

Konsequenz der Erkenntnis: Mein nächster Thriller spielt auf dem hinter Weltraumstaub versteckten Mond hinterm Mars, handelt von nach dorthin im 15. Jahrhundert ausgewiesenen Amazonen, inzwischen jedoch mit Vorderladern ausgerüstet, weil auch bei denen der Fortschritt nicht aufzuhalten war. Fortpflanzen tun die sich per Samenbeutel unter der linken Achsel. Die Krieger (Kastraten mit unerklärlich bassiger Stimme) tragen dort Blei, Ladestock und Pulverfläschchen. Kämpfen tun sie mangels Feinden gegen sich selbst. Ja, und dann trudelt ein schiffbrüchiger Astronaut ein, der das Gefühlsleben so mancher Samenbeutelträgerin erschüttert, weil sich was zwischen ihren Schenkeln tut. Klar, dass wegen solchermaßen Rebellion das Establishment um die Macht fürchtet. Sie mobilisieren ihre MSIG (Mars Sattelite Intervention Group) mit dem Ziel, Eindringling und mithin Aufbegehren zu eliminieren.
Mutige Amazonen der erschütterten und inzwischen in alter, irdischer Weise in himmlische Höhen gevögelten Art rebellieren nicht nur, nein, sie verstecken ihren Beglücker und nehmen, nachdem sie erkannt haben, wie sehr sie bislang unterdrückt waren, die Herausforderung an. Der Freiheitskampf beginnt ...

Und am Ende - etwa auf Seiten 1329 - ziehen sie siegreich in den Palast ein, nicht, ohne unseren erschöpften Schiffbrüchigen zu verpflichten, seine in Dallas, Oschersleben und Soweto lebenden sieben Brüder schleunigst zur Auffrischung der Bevölkerung einzufliegen. Clandestin selbstverständlich, denn ... das Geheimis der Amazonenwelt muss um jeden Preis gehütet werden. Für den nächsten Roman, der - ich sag´s schon jetzt - nicht nur noch spannender wird, sondern mit weiteren unglaubliche Neuigkeiten und Entwicklungen jenseits des Weltraumstaubvorhangs aufwarten wird.

Bleibt noch zu berichten, dass der Kaffee sündhaft teuer war und die Raucher sich verschämt vor den Ausgängen herumdrückten.

19.10.2009

Besuch auf dem Stern - Buchmesse
















Beeeindruckend, wie man geradezu zwangsläufig in die Fänge des Messeparkhauses gerät und dort, gleichgültig, wieviele Stunden man es nutzt, mit 9 Euro zur Kasse gebeten wird. Aber der Busservice war geradezu perfekt. Die Polizeipräsenz auch. Da ich keine Tasche mit mir herum schleppte, guckte auch niemand hinein. Auch in den Hallen viel Polizei. Einige entdeckte man an den Ständen und in Büchern versunken. Kein unschönes Bild, wenn auch staunenswert, weil ich mich sogleich fragte, ob die Dienstherren das mit dem Dienst für vereinbar halten. Ja, hoffte und hoffe ich.
Wanderung durch die Hallen. Überraschend viele Stiefel an Damenbeinen. Das eine oder andere bekannte Gesicht, in einigen fragende Blicke, ein Wiedererkennen. Wie es denn so geht? Ja, man habe gehört. Vom Comeback. Schön, dass du auch wieder da bist. Viel Erfolg. Wir sehen uns. An den Ständen der „alten Verlage“ kein Wiedererkennen. Neues, sehr junges Personal, eine andere Generation, Businessseminar-Atmosphäre. Ich fühle mich am Rande der realen Welt. Ganz anders am Conte-Stand. Kurzes, nettes Gespräch mit dpr. Am Stand des Pendragon Verlags herzliche Begrüßung. Mein Buch ist mittig positioniert, Plakate erzwingen Aufmerksamkeit. Wie es wohl werden wird?
Mehr als gut. Der Büchervorrat schrumpft, weil „Pforte des Todes“ in überraschend hoher Zahl verlangt und signiert werden muss. Auch für Vertreter von Buchgemeinschaften, Taschenbuchverlagen und Journalisten. Nicht nur die Gemeinde staunt ob der regen Nachfrage. Icke freue mir natürlich. Auch über die Gelegenheit, mit Frank Göhre, Nordert Horst und Klaus Peter Wolf zu plauschen. (Und mit den vielen anderen, die mir zeigten, dass sich soviel seit „damals“ gar nicht geändert hat.) Ich bin wieder im Dorf. Und das ist gut so.

10.10.2009

Materialisiert: "Pforte des Todes"

















So, kein Zweifel mehr: "Pforte des Todes" hat die Druckerei verlassen und ist entweder schon in den Buchhandlungen (und bei den Kritikern) oder wird ausgeliefert. Fühlt sich sich jedenfalls gut an, der kleine Ziegelstein. Gespannt bin ich auf die Reaktion der geschätzten Leserschaft. Hasta luego und - die Buchhandlungen sind für den Sturm gerüstet!
Mehr Informationen auf meiner Website: www.willivoss.de
Am Freitag, den 16.10.2009 stelle ich den Thriller auf der Frankfurter Buchmesse vor.
Halle 4.1 F 149. Besuchen Sie mich!

07.10.2009

In memoriam Ullrich Reineking






























Uli Reineking und der Autor in Rinteln


Es war der 2002. Die zweite oder dritte Fassung der "Pforte des Todes" war bereits abgespeichert, aber mit dem Text war ich unzufrieden. Und nicht nur mit dem Text. Selbst der Name des Helden gefiel mir nicht. Einfallen wollte mir auch keiner, bis - ja, bis Ullrich Reineking, Kulturredakteur der Schaumburger Zeitung, mir vorschlug, doch einfach im Telefonbuch nachzusehen. Machte ich natürlich nicht, aber ich drohte ihm an, seinen Namen zu verwenden. Und genau das geschah. Selbstverständlich mit seinem Einverständnis.
Ihm sollte das erste mir zur Verfügung stehende Exemplar gewidmet werden. Leider ist das nicht mehr möglich. Ullrich Reineking, der sympathische, lebensfrohe, witzige und menschenliebende Journalist aus Rinteln ist am Sonntag gestorben. Ich trauere um ihn. Möge sein Name und sein Wirken nicht nur in meinem Roman in Erinnerung der vielen Menschen bleiben, die er mit seinen außergewöhnlichen Texten bereichert hat.


Aus der Schaumburger Zeitung:











Ulrich Reineking †



"Rinteln

Er war ein liebenswerter Kollege und bei den Lesern eine Institution

Ulrich Reineking ist tot. Die Nachricht traf am Sonntagmorgen seine Familie, seine Freunde und die Redaktion völlig überraschend. Am Montag vergangener Woche hat er noch mit gewohnt überschäumendem Temperament auf dem „Blauen Sofa“ in der Volkshochschule gemeinsam mit seinem Gitarristen und Freund Volker Buck die Kabarettsaison eröffnet.

Am Sonntag wollte er wie gewohnt, kurz vor Mittag in die Redaktion, nach dem Gottesdienst in der Jakobikirche, sein „Frühstücksei“ schreiben, was er nicht einmal versäumt hat, wenn er eigentlich wegen Grippe das Bett hätte hüten müssen. Dann noch den „Blauen Montag“ – beides humorvoll lebendige, feuilletonistische Betrachtungen, die die Leser mit seinem Namen verbinden.

Jetzt ist sein Stuhl vor dem Computer leer und auch wir, die Arbeitskollegen, sind fassungslos. Ulrich Reineking ist 60 Jahre alt geworden.

Reineking war Journalist und Kabarettist mit Leib und Seele. Er hat beide Berufe nicht einfach nur ausgeübt, sondern gelebt – was einen gewaltigen Unterschied macht.

Reineking fand sich mühelos in den verrücktesten Situationen zurecht, die dieser Beruf zu bieten hat, und konnte mit Menschen reden wie kein zweiter. Die haben ihm ihre Sorgen und Nöte offenbart – weit über das Maß hinaus, das ein Journalist erwarten würde. Dazu schwang, egal über welches Thema er redete und schrieb, ein Erfahrungs- und Wissensschatz mit, der oft staunend machte.

So verschlungen sein beruflicher Werdegang war – geboren in Möllenbeck, Abitur in Rinteln, Studium der Theologie, Psychologie und Philosophie in Braunschweig und Berlin, dann freier Journalist, Werbetexter und Autor, bis er in Bremen für Radio Bremen und die Tageszeitung taz arbeitete – eine Linie hat Reineking nie verlassen: die des kritischen wie mitfühlenden Beobachters des manchmal absurden Lebens und Treibens auf dieser Welt. Reineking heiratete, und bald kam seine erste Tochter Ulrike zur Welt. Am 1. März 1995 holte ihn sein Bruder dann zur Schaumburger Zeitung, und Ulrich Reineking hat von der ersten Stunde an mit seiner besonderen Schreibe, seinem unverwechselbaren Stil die Sympathien von Lesern wie Kollegen erobert. In seinen besten Texten konnte ihm niemand in der Redaktion das Wasser reichen. Und wie kein anderer schaute er dem Volk aufs Maul. Das „Lesertelefon“ – das war Ulrich Reineking. Das erlebten Kollegen, wenn Reineking in Urlaub war und enttäuschte Menschen am Telefon hartnäckig darauf bestanden, Reineking sprechen zu wollen und bitte sonst niemand anders.

Bremen, der Stadt, in der seine zweite Tochter Lotta und sein Sohn Linus geboren worden sind, ist er treu geblieben: Als Querdenker „urdrü“ sorgte er jedes Wochenende mit seiner taz-Kolumne für Heiterkeit und oft genug für flammende Proteste von lokalen Politikern, die sich auf den Arm genommen fühlten.

Hier hat er das Kabarett „Galerie des Westens“ aufgebaut, hier hatte er prominente Freunde aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten – typisch für Reineking – Theaterregisseure, Opernsänger, Politiker, Catcher, Journalisten, Schriftsteller, Musiker. Wen Ulrich in sein Herz geschlossen hatte, konnte sich auf ihn hundertprozentig verlassen. Auch in Rinteln ist Ulrich Reineking zu einer Institution im öffentlichen Leben geworden – begehrt als Redner an festlichen Abenden, als Entertainer bei Veranstaltungen, wobei er manchmal Mühe hatte, sich der vielen Angebote zu erwehren – hatte er „nebenbei“ doch noch den Fulltime-Job eines Redakteurs.

Ulrich Reineking hat ein pralles Leben gelebt mit allen Höhen und Tiefen, ein Leben, das Stoff für einen spannenden Roman bieten würde. Und wenn es den Himmel gibt, an den er fest geglaubt hat – im Gegensatz zu dem Atheisten ihm am Schreibtisch gegenüber – dann wird ihm da oben der Stoff für Geschichten nicht ausgehen."

Wir trauern um einen liebenswerten Kollegen. wm
Artikel vom 04.10.2009 - 12.26 Uhr
(c)Schaumburger Zeitung