Gibt es Antideutschismus?
Natürlich nicht.
Wir sind schließlich Weltmeister im Differenzieren. Wir zählen Mikrobeleidigungen mit Pipette, führen neue Kompositawörter ein und veranstalten Ethik-Triathlons. Doch „Diskriminierung wegen deutscher Herkunft“? Das klingt nach kaputter Vitrine im Museum für Unzeitgemäßes. Bitte weitergehen.
Dabei ist die Sache simpel. Antisemitismus: verwerflich. Antiislamismus: verwerflich. Rassismus: verwerflich. Nationalitäten-Bashing: ebenso. Nur im Alltag läuft es anders. Da gibt es die feine Unterscheidung zwischen „strukturell“ (ernst) und „na ja, stell dich nicht so an“ (locker). Der Satz „Die Deutschen sind nun mal so“ gilt als launige Wettervorhersage. Wenn man „die Deutschen“ sagt, ist niemand konkret gemeint. Praktisch, denn so trifft es alle und niemanden. Es ist die demokratischste Form der Pauschalität.
Ein kleiner Feldversuch:
„Ihr Deutschen seid humorlos.“ –
„Danke, wir lachen später.“
„In X-Stadt mögen sie keine
Deutschen.“ – „Kein Problem, wir mögen uns selbst gelegentlich
auch nicht.“
„Deutsche Touristen benehmen sich schlimm.“ –
„Richtig, daher reisen wir so viel. Training.“
„Hey, Kartoffel, du weißt, dass du schnell faulst?"
Ironie beiseite: Diskriminierung ist kein Wettbewerb um höhere Leiden. Wer Menschen auf ihr Merkmal reduziert – Glaube, Herkunft, Pass – betreibt dieselbe geistige Schrumpfkur. Der Mechanismus ist immer gleich: Komplexität runterdimmen, Schuld kollektivieren, Verantwortung auslagern. Antideutschismus ist nicht die große, finstere Ideologie mit Manifest und Marschmusik. Er funktioniert im Leichten, im Achselzucken, im „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“. Er ist das sozial akzeptierte Restlachen nach der eigentlichen Pointe.
Warum stört das so wenig? Weil die Norm nicht als schützenswert gilt. Mehrheit = Pufferzone. Wer zur Mehrheit gehört, muss „einstecken können“. Klingt robust. Führt aber in die bequeme Blindheit: Wenn man die kleine Kränkung für normal hält, übersieht man die große. Und aus Gewohnheit wird Haltung.
Was tun? Drei kleine Regeln ohne moralischen Orkan:
Gleiche Maßstäbe, bitte. Wenn „die Muslime“, „die Juden“, „die Franzosen“ tabu sind, dann sind „die Deutschen“ nicht Freiwild. und auch keine Kartoffeln! Keine Pauschale, nirgends.
Konkret statt kollektiv. „Dein Verhalten nervt“ ist präzise. „Ihr Deutschen …“ ist faul.
Humor mit Rückgaberecht. Witze sind erlaubt, Rückfragen auch: „Wen genau meinst du?“ Meist reicht dieser Satz, um das Nebelwort „ihr“ zu entzaubern.
Bleibt ein Rest: das Bedürfnis, sich überlegen zu fühlen. Nichts veredelt schneller als ein Feindbild mit Gruppentarif. Aber echte Souveränität beginnt dort, wo man auf diese billige Erhabenheit verzichtet. Wer andere nicht auf Herkunft reduziert, gewinnt Freiheit: die Freiheit, jemanden tatsächlich zu sehen.
Also ja: Antideutschismus existiert – als gesellschaftliche Schludrigkeit, als salonfähige Generalisierung, als scheinbar harmlose Pointe. Harmlos ist sie nicht. Sie verdirbt den Geschmack. Und wer gutes Brot backt, weiß: Schon ein wenig Bitteres macht den ganzen Teig unbrauchbar. Besser, wir lassen’s. Für alle. Überall. Ohne Ausnahme.
Eine deutsche
Kartoffel? (Kommt die ursprünglich nicht aus den Anden?)<script async src="https://pagead2.googlesyndication.com/pagead/js/adsbygoogle.js?client=ca-pub-4816985245880628"
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