Der Experte – Schutzpatron des Unwissens
Wenn Politiker nicht mehr weiterwissen, rufen sie den „Beraterkreis“. Dort sitzen dann Menschen mit grauen Schläfen und ernsten Gesichtern, die Papiere wälzen, Statistiken zitieren und am Ende eine Empfehlung abgeben, die genauso unverbindlich ist wie das Wetter im April. Das Schöne daran: Der Politiker hat sein Alibi. „Ich habe die Experten gefragt.“ Wenn’s schiefgeht, war’s nicht er.
Ein genialer Trick – und die Medien haben ihn übernommen.
Experten als Lückenfüller
Man könnte glauben, die journalistische Grundaufgabe sei es, Informationen zu recherchieren. Inzwischen reicht es aber offenbar, eine Studiotür aufzumachen und den Nächstbesten hereinzuwinken. Titel? Am besten Professor. Fachgebiet? Nebensache. Hauptsache, man kann ihn in den Bauchbinden als „Experte“ ankündigen.
So sitzt der Politologe am Montag im Studio, erklärt die Ukrainefront, am Dienstag die Inflation, am Mittwoch das Klima. Universalgelehrte, wie man sie seit Leonardo da Vinci nicht mehr gesehen hat.
Der Unterschied: Leonardo war ein Universalgenie.
Klassiker des Irrtums (Magere Auswahl)
-
2008, Finanzkrise: „Alles halb so wild, Europa bleibt verschont.“ Zwei Wochen später war Lehman pleite und die halbe Bankenwelt gleich mit.
-
2020, Corona: „Masken bringen nichts.“ – „Masken sind unverzichtbar.“ – „Masken nur draußen.“ – „Masken nur drinnen.“ Der Bürger lernte vor allem eines: Man kann gleichzeitig recht haben und unrecht.
-
2022, Ukraine: „Russland nimmt Kiew in drei Tagen.“ Tatsächlich zogen sich die russischen Panzer nach Wochen zurück, teilweise zu Fuß.
Und trotzdem sitzen dieselben Gesichter heute wieder vor Kameras und erklären, warum sie damals natürlich recht hatten, nur „im falschen Kontext“.
Der Zuschauer als Versuchskaninchen
Der Zuschauer darf derweil staunen, wie elegant Meinungen als Nachrichten verkauft werden. „Die Meldung konnte nicht bestätigt werden“, heißt es, aber keine Sorge: Der Experte hat ja eine Meinung! Und eine Meinung ersetzt bekanntlich jede Recherche.
Früher war die Zeitung voller Fakten. Heute ist das Studio voller Experten.
Satirische Zwischenfrage
Was kommt als Nächstes? Der Wetterexperte, der uns nach einem Blick in den Himmel versichert: „Es könnte regnen, aber auch nicht.“ Oder der Kaffee-Experte, der im Morgenmagazin erklärt, dass Bohnen grundsätzlich braun sind, aber auch mal schwarz wirken können.
Seriös verpackt, versteht sich.
Die Alternative: Mut zum Nichtwissen
Man könnte es so einfach haben: Journalisten sagen, was sie wissen. Und was nicht. Drei Spalten würden genügen:
-
Gesichert.
-
Unklar.
-
Noch offen.
Das wäre ehrlicher als jedes „Expertenpanel“ und würde den Bürger nicht wie ein unmündiges Kind behandeln.
Denn die wahre Nachricht ist manchmal nicht das, was man weiß – sondern das, was man bislang nicht weiß.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen