Nazikeule, Schablone, Dauerfeuer
– oder wie man Kritik in Deutschland entsorgt
Deutschland, das Land der Regeln, hat sich eine besonders raffinierte Methode ausgedacht, Debatten abzukürzen: die Schablone. Wer inhaltlich nicht weiterweiß, greift zur Nazikeule, setzt den Stempel „Antisemitismus“ oder „rechts“ und schon ist der Kritiker erledigt. Eine wunderbar einfache Technik: ökonomisch, effizient, emotionsgeladen – und für jede Talkshow geeignet.
Das Problem: Die Schablone arbeitet mit Generalverdacht. Wer Kritik an Israels Vorgehen in Gaza übt, landet nicht selten in der Antisemitismus-Schublade. Wer gegen überbordende Bürokratie wettert, steht mit einem Bein bei den „Reichsbürgern“. Wer Gendersprache infrage stellt, muss angeblich schon AfD-Flyer im Keller lagern. So wird aus einer pluralistischen Demokratie ein Diskurs-Sandkasten, in dem jeder jedem mit Förmchen eins überzieht.
Dabei ist die Doppelmoral nicht zu übersehen: Antisemitismus wird juristisch verfolgt – zu Recht. Doch warum bleiben andere pauschale Verunglimpfungen nahezu folgenlos? Deutsche im Ausland werden als „Moffen“ und „Nazis“ beschimpft, Franzosen sind „Froschfresser“, Niederländer „Kaasköpfe“. Das ist nicht weniger plump, nicht weniger verletzend, nur eben nicht mit der gleichen politischen Gravität ausgestattet. Wer sich wehrt, bekommt zu hören: „Stell dich nicht so an.“
Hier liegt der Kern des Problems: Das Alleinstellungsmerkmal „Antisemitismus“ gerät zur Projektionsfläche. Statt antisemitische Ressentiments konsequent, aber nüchtern zu verfolgen, wird die moralische Keule geschwungen. Das erzeugt paradoxerweise nicht weniger, sondern mehr Antisemitismus. Denn es nährt das Gefühl, eine Gruppe werde als „mehr wert“ betrachtet, während andere Diffamierungen bagatellisiert werden. Ausgerechnet das, was bekämpft werden soll, wird verstärkt.
Wie also raus aus der Schablonen-Falle?
- Trennung von Kritik und Hetze. Kritik an staatlichem Handeln (auch an Israel) ist erlaubt, ja notwendig. Hetze gegen Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion ist etwas anderes. Wer beides verwischt, schadet am Ende allen.
- Gleiche Maßstäbe. Wenn Antisemitismus juristisch verfolgt wird, sollten auch systematische Beleidigungen anderer Nationalitäten oder Gruppen ernster genommen werden. Nicht jede Dummheit gehört vor Gericht, aber ein Mindestmaß an Gleichbehandlung wäre schon hilfreich.
- Sprache entschärfen. Die Nazikeule als Dauerwaffe stumpft ab. Wer alles „rechts“ nennt, erzeugt den Effekt von Shitstorms im Netz: Lärm, Empörung, Rufmord – und null Erkenntnisgewinn.
- Bildung statt Beschallung. Statt Dauerschleifen von Hitler-Dokus oder ritualisierter Gedenkreden wäre eine sachliche Aufklärung sinnvoll: Wie unterscheiden sich Meinungsäußerung, Kritik und echte Hetze? Nur wer das versteht, kann sich gegen Schablonendenken immunisieren.
Deutschland täte gut daran, den moralischen Vorschlaghammer in die Werkzeugkiste zurückzulegen. Kritik muss ausgehalten werden – auch wenn sie unbequem ist. Wer jede Abweichung mit der Schablone erledigt, zerstört das Fundament der offenen Gesellschaft.
Am Ende gilt: Ein Vorwurf, der inflationär benutzt wird, verliert seine Kraft. Wer wirklich gegen Antisemitismus kämpfen will, sollte ihn nicht zur Allzweckwaffe machen, sondern zum klar definierten, scharf begrenzten Tatbestand. Alles andere führt zu jenem paradoxen Zustand, in dem man Antisemitismus bekämpfen will – und ihn dabei selbst befeuert.
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