„Guten Büchern kann dieser Betrieb nichts anhaben“, schreibt Elke Heidenreich in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 20/21. Februar 2010.
In ihrem bemerkenswerten Artikel, der bezeichnenderweise auf Seite 2 des geschätzten Blattes und nicht im Feuilleton abgedruckt wurde, definiert sie „Betrieb“ so: „Jede Zeitung hat ihre Brotgelehrten, die schreiben in den Feuilletons die Kritiken. Schnell, wenn sie gerade über Oper, Theater, Konzert berichten müssen, mit etwas mehr Zeit, wenn es um ein neues Buch geht. Außer natürlich, es geht um ein sehr auffälliges Buch oder um das eines Lieblingsautors eines bestimmten Kritikers! … dann wollen alle die Ersten sein und schreiben alles ganz schnell. Das ist dann ein Virus, eine Art Hysterie, denn keiner denkt mehr richtig nach, und alle schreiben sie eigentlich dasselbe. Adjektive gleichen sich, alles ist exorbitant und so noch nicht gelesen.“
Kritik, so führt Frau Heidenreich weiter aus, sei gehalten zu erzählen, um was es in einem Buch geht. Dazu gehöre eine kritische Auseinandersetzung mit dem Text, seine Einordnung, Eingrenzung und schließlich ein Fazit. Nu so sei der Leser in der Lage, sich zu entscheiden, ob ihn das besprochene Werk überhaupt interessiert. Leider, beklagt sie, gehe es oft gar nicht um das Buch, sondern um persönliche Animositäten.
„Jeder Kritiker hat seine Masche. Jeder hat seine Lieblinge … und seine Feindbilder, die kein Bein auf den Boden kriegen“. Es lohne kaum noch, Kritiken zu lesen, verbale Schlachten zu verfolgen, Hymnen und Verrisse, Lob und Häme sich reinzuziehen. Man schreibe für- und gegeneinander, man zeigt sich, wer der Gescheiteste, der Schnellste, Arroganteste ist – auf den Leser, hat sie den Eindruck, komme es gar nicht mehr an.
Das sei zwar eine Verallgemeinerung, da es aufrichtige Kritiker gibt, die ihr Ego hinter dem des Autors zurückzuhalten verstehen, die meisten jedoch verachten den Leser bestimmter Bücher und schreiben nur für ihresgleichen. „Sehr viele neue Bücher werden hier (im Feuilleton) gar nicht besprochen, weil man vor allem jene besprechen will, die die anderen auch gerade besprechen“. Vergessen werde von dieser Kritik oft, was der große Kritiker Reinhard Baumgart formulierte:
„Ich jedenfalls meine, man muss seinen Gegenstand, bevor man ihn abfertigt, auch darstellen, was meist wesentlich schwieriger ist als das Formulieren von Urteilen. Also in den gravitätischen Worten des alten Goethe: Man soll erst einmal sagen und zeigen, was ein Autor sich `vorgenommen´ hat, dann überlegen, ob das èinsichtig´und `vernünftig´war und erst drittens dann entscheiden, ob er das Intendierte erreicht hat“.
Elke Heidenreichs Fazit: „Ein kranker Betrieb.“ Ihr Tipp: Lesen!
Dem schließe ich mich von Herzen an.